Anneliese Timpe

Anneliese Timpe

geb. Weber
* 03.09.1933 in Beienrode
† 15.02.2015 in Oldenburg
Erstellt von Harald Houben
Angelegt am 21.02.2015
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Über den Trauerfall (2)

Hier finden Sie ganz besondere Erinnerungen an Anneliese Timpe, wie z.B. Bilder von schönen Momenten, die Trauerrede oder die Lebensgeschichte.

Die Geschichte eines Lebens...

10.03.2015 um 10:51 Uhr von Harald

…die kleine Anneliese kam an einem Sonntag im September des Jahres 1933 in Beienrode im Kreis Braunschweig zur Welt. Sie war das dritte Kind von insgesamt acht Geschwistern. An ihrem ersten Schultag - dem 01. September 1939 - begann der Zweite Weltkrieg. Was gibt es da viel zu sagen? Dieser Zeitgeist, die Entbehrungen und die damit verbundenen Ängste des 1000-jährigen Reiches haben sie – wie so viele andere Menschen damals – ohne Zweifel nachhaltig geprägt.

Ein zerbrechliches, liebes und unschuldiges Kind erlebte den Wahn einer Zeit, die wir Nachgeborenen nur schwerlich nachempfinden können.

 Ein Gebot der Zeit war es stets gehorsam und brav zu sein. Eigener Wille als ganz natürliche Grundlage der Entwicklung einer selbstständigen und starken Persönlichkeit blieb ihr von Kindesbeinen an verwehrt.

So übernahm sie unverhofft die Rolle und Verantwortung der ältesten Schwester – nachdem die tatsächlich erstgeborene Schwester tragisch als Jugendliche bei einem Verkehrsunfall verstarb.

Gerade ein Teenager endete 1947 ihre Schulzeit und die Realität der Nachkriegszeit ließ wenig Spielraum für eigene Wünsche. Grundlegende Dinge, die uns heute selbstverständlich erscheinen, waren damals viel wichtiger als so etwas.

Der Hunger und die Not der Nachkriegszeit  waren unerbittlich. So blieb ihr sehnlicher Wunsch Kinderkrankenschwester zu werden unerfüllt. Deutschland war ein Trümmerfeld und bot vor allem den Mädchen damals fast keine Möglichkeiten zur Entfaltung der eigenen Talente und Neigungen. Es blieb ihr der Weg in den Haushalt von Leuten die sich ein Hausmädchen leisten konnten. Den schlug sie dann auch ein und dieser brachte ihr wenig mehr ein als eine ungeheizte Dachkammer und die Reste von den Tellern der Herrschaft. Zum Leben zu wenig, zum Sterben zu viel und als Mensch gedemütigt.

Vor diesem Hintergrund nahm sie blutjung das verlockende Angebot in angesehenen Hotels im Harz zusammen mit ihrer Schwester Edith als Zimmermädchen zu arbeiten nur allzu gerne an. Wer sich schon vor 1950 wieder einen Urlaub leisten konnte, der war was. Und diesen Kreisen, wenn auch nur als Bedienstete, nah zu sein – das hat ihr sehr gefallen und Ihrer Persönlichkeit gut getan. Sie hat oft und gerne von dieser für sie sehr schönen Zeit der Leichtigkeit erzählt. Sie konnte neben der harten Arbeit dort endlich auch mal unbeschwert sein, ihre Weiblichkeit entdecken und Ihre Jugend genießen. Sie liebte damals die Geselligkeit in froher Runde mit Musik und Tanz.

Mit Leidenschaft schloss sie sich in dieser Zeit dem Naturfreundebund an. Das Wandern, Ausflüge in die Natur, traditionelles Liedgut und Volkstanz waren eine große Leidenschaft von ihr. So blieb es nicht aus, dass ihr der gutaussehende Gruppenleiter den Kopf verdrehte. Sie himmelte ihn heimlich an, wie ein gutes Jahrzehnt später die weiblichen Fans die Beatles. Dabei blieb es aber, denn den jungen Mann aus Peine zog es in die Ferne nach Oldenburg um zu studieren und Karriere zu machen.

Um 1950 herum eröffnete sich ihr die Chance im Krankenhaus als Stationsgehilfin zu arbeiten und sie nahm mit Freuden an. Eine Krankenschwester wurde nicht aus ihr, aber sie konnte endlich in dem seit Jugendtagen ersehnten Umfeld arbeiten. Über ein Jahrzehnt – bis zu ihrer Heirat - blieb sie dem Krankenhaus in Salzgitter-Lebenstedt mit Hingabe zu den Patienten und Kollegen ver-bunden. Keine andere Zeit hat sie selbstbewusster und selbstständiger sein lassen. In dieser Zeit hat sie sich mit Albert verlobt, aber wegen der Untreue des Erwählten die Beziehung nach beinahe 7 Jahren wieder beendet.

Mit gebrochenem Herzen und sehnsüchtig nach Liebe war sie ein leichtes Opfer für den gutaussehenden Burschen namens Karl, der ihr schon als Jugendgruppenleiter der Naturfreunde den Kopf verdreht hatte. Er war wieder in die Heimat zurück gekehrt. Als Lehrer und als alleinerziehender Vater eines kleinen Sohnes. Anneliese war hin und weg – vom Vater, vom Sohn – unserem  lieben Bruder Hajo. Sie schien dem jungen Lehrer unentbehrlich als kinderliebe, junge Frau, als Ersatzmutter und er war ihr vergöttertes Idol. Das Schicksal nahm seinen Lauf und Zweckmäßigkeit und Leidenschaft gingen eine Verbindung ein aus der in weniger als einem Jahr zwei Kinder hervorgingen. Unser jüngerer Bruder Udo und ich.

Anneliese und Karl schlossen am 17. März des Jahres 1961 den Bund fürs Leben, der für unsere Mutter auch bis zu ihrem Tode Bestand hatte. Auch wenn der gemeinsame Weg schon 1973 dramatisch endete. Nie wieder hat sie ihr Herz einem anderen öffnen können.

Es verbündeten sich damals zwei Charaktere, wie sie unterschiedlicher nicht sein konnten und es begann eine schicksalhafte und oft auch traumatische Zeit für das Paar und uns Kinder.

Karl war stets süchtig nach Erfolg und Anerkennung. Er liebte die Frauen, er war außerordentlich intelligent und besaß eine unwahrscheinlich charismatische Ausstrahlung. Auch Männer konnten sich dem Charme seiner Persönlichkeit nicht entziehen und er war hoch verehrt von vielen ob seiner vielfältigen Talente. Seine privaten Neigungen galten jedoch stets allein den Frauen und er war deren Avancen auch nie abgeneigt. Zwangsläufig nahm Anneliese es hin ihn schon nach kurzer Ehezeit mit anderen Frauen teilen zu müssen.

Ihre Hingabe an ihn war derart groß, dass sie über 12 Jahre bis zu seinem Freitod in allen Lebenslagen an seiner Seite blieb. Hier und heute ist nicht der Platz um verheilte Wunden zu öffnen. Darum sei nur gesagt -  sie war bis zur eigenen Selbstaufgabe seine ihn liebende Ehefrau, die jede noch so schreckliche Situation mit ihm ausgehalten hat. Ein selbstloser Mensch voller Ängste, aber mit einem riesengroßen Herzen voller Liebe und sie hat es geschafft nicht nur die Trümmer des Krieges hinter sich zu lassen. Auch die Trümmer ihrer Ehe hat sie unerschütterlich gemeistert.

Mama – Du warst so viel stärker, als Du es je von Dir selber geglaubt hast. Oft habe ich – Deine Tochter  - Dir in meinen jungen Jahren Deine liebende Demut, Dein Ausharren in scheinbar aussichtslosen Situationen zum Vorwurf gemacht. Aber ich erkenne heute – Du musstest genau diesen Weg gehen. Es war der Deine und das war verdammt gut so…

Auch nach dem Tod Deines geliebten Karl - denn das war er trotz allem Schmerz den er Dir so oft angetan hat - hast Du ihn nie vergessen können. Großmütig hast Du alles für ihn beglichen, was er Dir als Schuld aus seinen Lebzeiten hinterlassen hatte.

Tapfer warst Du nach seinem Tod, obwohl selbst so unendlich verletzt an Herz und Seele, so wenig Deiner selbst bewusst, und dennoch hast Du es geschafft nicht unter zu gehen und die Zukunft für uns Kinder auf Deine Weise zu gestalten.

Du warst nie selbstbewusst, aber dennoch unglaublich stark in Deiner Hingabe als Mutter und Großmutter. 

Danke für all Deine unendliche Liebe und möge Deine Seele spüren – wo auch immer sie jetzt ist – Du bist uns für immer nah und wirst niemals vergessen sein….

Du kamst an einem Sonntag, gingst an einem Sonntag und der Weg Deines Lebens lag dennoch nicht immer im Sonnenschein, aber für uns alle warst Du die Wärme und das Licht im Leben. Du hast uns dankbar erkennen lassen was Liebe ist….

Und einmal seh’n wir uns wieder…

Traueranzeigen

10.03.2015 um 10:46 Uhr von Harald