Reinhard Köser

Reinhard Köser

* 09.02.1938 in Oldenburg
† 22.02.2018 in Oldenburg
Erstellt von NWZ Online
Angelegt am 23.02.2018
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Über den Trauerfall (1)

Hier finden Sie ganz besondere Erinnerungen an Reinhard Köser, wie z.B. Bilder von schönen Momenten, die Trauerrede oder die Lebensgeschichte.

Trauer um die große Unternehmerpersönlichkeit Reinhard Köser

23.02.2018 um 09:14 Uhr von NWZ

 

von Rolf Seelheim

 

Ein weitsichtiger Unternehmer mit einer vorbildlichen Führungskultur: NWZ-Verleger Reinhard Köser, der überzeugte Zeitungsmann, ermunterte stets zu „Mut vor Königsthronen“. Am Donnerstag ist er im Alter von 80 Jahren verstorben.

 

Es war auf dem Weg von Bremen nach Dresden, wenige Wochen nach dem Fall der Berliner Mauer. Reinhard Köser flog in das zerfallende Arbeiter- und Bauern-Paradies. Ich durfte den NWZ-Verleger auf seiner Dienstreise begleiten. Das sonore Brummen der Turbopropmaschine wurde in kurzen Abständen unterbrochen durch ein sich vielfach wiederholendes Ratsch-Geräusch in der Sitzreihe hinter mir. Ganz so, als würde Stoff oder Papier in Streifen gerissen. Ein vorsichtiger Blick zurück klärte das Rätsel. Unser Verleger wühlte sich durch einen Stapel aktueller Tageszeitungen und trennte zahllose Artikel heraus, die ihm wichtig und nachlesenswert erschienen.

 

Diese Szene aus der Wendezeit blieb mir stets in Erinnerung. Sie ist typisch für den bekennenden Zeitungsmenschen Reinhard Köser. Allseits interessiert, stets von neuen Entwicklungen fasziniert, bestens informiert und wieder einmal unterwegs, um Chancen und mögliche Risiken in einem zusammenwachsenden Deutschland auszuloten. Ein Unternehmer im sprichwörtlichen Sinne.

 

Dabei sah die Lebensplanung des am 9. Februar 1938 geborenen Oldenburgers eine Zukunft als Zeitungsverleger keineswegs vor. Nach Studium und Examen in Saarbrücken begann der Diplom-Kaufmann seine berufliche Laufbahn beim Deutschen Sparkassen- und Giroverband in Bonn. Als Rendant wechselte er 1967, gerade 29 Jahre alt, in die Geschäftsführung der Nordwest-Zeitung. An Jahren noch jung, aber keineswegs zu früh. Der Verlag durchlebte schwierige wirtschaftliche Zeiten. Es gab nicht wenige Branchenkenner, die der NWZ den Verlust der Eigenständigkeit und eine Zukunft im Hause eines der deutschen Zeitungsgiganten prophezeiten.

 

Tatsächlich gaben sich damals die Verlagsrepräsentanten aus dem Norden, dem Westen und Süden der Republik die Türklinke im Verlagsgebäude in der Peterstraße in die Hand. Der Oldenburger Zeitungsverlag schien den Mediengewaltigen aus den Metropolen der Republik immerhin attraktiv genug, um persönlich in die Provinz zu reisen. Reinhard Köser empfing sie stets freundlich, führte in seinem eher bescheiden ausgestatteten Büro eingehende Gespräche, hörte sich aufmerksam die Vorstellungen und Angebote seiner Verlegerkollegen an und begleitete sie anschließend zur Verabschiedung in den Innenhof, wo deren Fahrer in ihren noblen Limousinen auf die Chefs warteten. Der dort ebenfalls geparkte unscheinbare VW-Käfer fiel daneben nicht weiter auf. Nur die NWZ-Angestellten wussten, dass es sich bei dem Kleinwagen um das Auto des Chefs handelte. Gelegentlich murrten sie sogar ob der typischen Bescheidenheit ihres Verlegers, empfahlen ihm ein repräsentativeres Auto.

 

Es mögen die Gespräche mit den Vertretern der Großverlage gewesen sein, die Reinhard Köser in seiner unternehmerischen Strategie beeinflussten. Denn zu seinen Stärken zählte die Bereitschaft, von anderen zu lernen. Für das eigene Unternehmen zog er früh ein zukunftweisendes Fazit: Kleine und mittlere Verlage haben nur dann eine Chance, die Herausforderungen eines schwieriger werdenden Anzeigenmarktes mit einer wachsenden Zahl unterschiedlicher Medien zu bestehen, wenn sie sich miteinander verbündeten. Aus dieser Überlegung resultierte die „Zeitungskooperation Nordwest“ für das Oldenburger Land und Ostfriesland, in der bis heute eine Reihe selbstständiger Heimatzeitungen sowie die Ostfriesen-Zeitung in Leer mit der NWZ als Lieferant redaktioneller Inhalte zusammenarbeiten. Ein gemeinsamer Anzeigenmarkt machte diese Kooperation auch für nationale Werbekunden attraktiv. Diese Idee made in Oldenburg erwies sich als weitblickend und nachhaltig. Reinhard Köser war seiner Zeit weit voraus. Heute gelten verlagsübergreifende Kooperationen und Beteiligungen bei Erhalt redaktioneller Eigenständigkeit als erfolgversprechende Mittel im Kampf gegen uferlos steigende Kosten und fallende Auflagen.

 

Reinhard Köser, der die Zeitung zeitlebens als glaubwürdigste Informationsquelle bevorzugte, erkannte schneller als die meisten seiner Kollegen die Möglichkeiten elektronischer Medien. Insbesondere den privaten Hörfunk sah er nicht wie so viele lediglich als Konkurrenz, sondern auch als Chance zur Diversifikation des Verlages. Früh beteiligte er sich an privaten Hörfunkstationen, nicht nur in Niedersachsen. Ein nachhaltiges Engagement, das bis heute weit über Landesgrenzen stetig ausgebaut wurde.

 

Damit wuchs der Zeitungsverlag – zum Flaggschiff NWZ kam später die Emder Zeitung hinzu – zu einer namhaften Mediengruppe heran. Die Zahl der Beiboote stieg unablässig. Zur Unternehmensgruppe NWZ zählen heute der Verlag, die Druckerei, mehrere Wochenzeitungen, die Zustellgesellschaft, die Citipost, Funk und Fernsehen GmbH, eine Beteiligung am Systemdienstleister MSP, NWZ-Digital und der Ticketverkauf der Nordwest-Ticket GmbH.

 

Neue Technologien faszinierten den Diplom-Kaufmann. Nicht immer hielt indes die Technik, was deren Entwickler versprachen. Es spricht jedoch für den NWZ-Verleger, dass er die frühen Versuche der Post, unter dem Kürzel BTX eine Art Vorläufer des heutigen Internets zu entwickeln, nicht nur aufmerksam verfolgte, sondern auch für seine Zeitung zu nutzen trachtete. Doch BTX kam wohl zu früh und scheiterte schließlich an der Monopolstruktur der Post und mangelnder Vorstellungskraft der Entwickler.

 

Erfolgreicher gestaltete sich die Umstellung vom veralteten und gesundheitsgefährdenden Bleisatz auf den neuartigen Lichtsatz. So wurde Oldenburg in den 1980er Jahren das Reiseziel zahlreicher deutscher und ausländischer Redaktionen, die den Einsatz dieser neuen Technologie erstmals bei der Nordwest-Zeitung im Einsatz sehen konnten. Auch bei der Weiterentwicklung zum Ganzseiten-Umbruch auf dem Computer-Bildschirm übernahm die NWZ 1995 wieder eine Pionierrolle in Deutschland. Heute ist diese Umbruchtechnik für alle Redaktionen selbstverständlicher Alltag.

 

Der anhaltende wirtschaftliche Aufschwung der NWZ-Unternehmensgruppe wurde nur ermöglicht durch diese Form weitsichtiger Unternehmenspolitik sowie einer vorbildlichen Führungskultur. Reinhard Köser wusste um die Bedeutung zufriedener Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für den Erfolg des Unternehmens. In Konfliktfällen ermunterte Reinhard Köser diese stets mit den Worten: „Nur Mut vor Königsthronen“. Neues zu wagen und Fehler zu machen, galt ihm als verzeihlich. Daran aber unbeirrt festzuhalten, hielt er für unverzeihlich. Auch der Verleger selbst stellte seine Entscheidungen im Führungskreis immer wieder zur Diskussion.

 

Seine besondere menschliche Größe dokumentierte sich auch darin, die eigene Meinung nachträglich auch einmal korrigieren zu können und stattdessen den abweichenden Vorschlägen seiner Mitarbeiter zu folgen. Gefordert waren allerdings gute Argumente.

 

Wer das Ideal eines aufrechten hanseatischen Kaufmannes schätzt, der fand in Reinhard Köser den bestmöglichen Repräsentanten. Auf seine mündliche Zusage war stets Verlass, es bedurfte keiner schriftlichen Vereinbarung. Es entsprach seinem Charakter, wenn er Mitarbeiter aufforderte: „Hört nicht nur auf die, die immer lautstark auf die Pauke schlagen, sondern auch auf die, die Triangel spielen.“

 

Außenstehende verwechselten seine öffentliche Zurückhaltung gelegentlich mit mangelnder Umgänglichkeit. Wer ihn näher kennenlernen durfte, weiß um seine menschliche Wärme, über die nicht nur seine Familie berichten kann. Auch Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gegenüber zeigte sich der Verlagschef zuweilen selbst dann noch nachsichtig, wenn deren Kollegen dafür längst kein Verständnis mehr hatten. Aber Reinhard Köser suchte in seinen Mitmenschen stets das Gute, zögerte nicht, wenn Hilfe gefragt und Unterstützung geboten war.

 

Es ist deshalb auch nicht verwunderlich, dass Reinhard Köser es war, der 1973 die NWZ-Weihnachtsaktion ins Leben rief. Zusammen mit den Spenden der Leserinnen und Leser konnte unzähligen in Not geratenen Menschen im In- und Ausland, insbesondere Kindern, Armen und Kranken nachhaltig geholfen werden. Rund sechs Millionen Euro wurden auf diese Weise bis heute gemeinnützigen Zwecken zur Verfügung gestellt. Es verstand sich von Beginn an, dass jeder gespendete Pfennig, jeder gespendete Euro ohne jeglichen Abzug die Hilfsbedürftigen erreichte. Die teils beträchtlichen organisatorischen Aufwendungen wurden finanziell allein von der NWZ getragen, die zudem die Spendensummen oft noch durch bedeutende Summen nach oben abrundete. Der Förderung von Bildung und Erziehung sowie der Unterstützung notleidender Familien, einem Herzensanliegen des Verlegers, dient auch die von den NWZ-Gesellschafterfamilien Köser und von Bothmer gegründete NWZ-Stiftung, ein weiteres großes Engagement zum Wohle der Region.

 

Der Heimat galt stets die besondere Aufmerksamkeit Reinhard Kösers, sie stand auch im Mittelpunkt seiner Mitarbeit in der Stiftung Niedersachsen. Als Vorsitzender des Arbeitskreises Weser-Ems koordinierte er die Interessen des Alt-Bezirks Weser-Ems im Senat der Stiftung. Wenn es um die Perspektiven dieser Region ging, wurde der Rat des Oldenburger Verlegers gesucht und geschätzt. Unvergessen sein unermüdliches persönliches und finanzielles Engagement für den Erhalt der Bezirksregierung Weser-Ems, das eine völlige Auflösung dieser für die Region so wichtigen Entscheidungsinstanz vor Ort verhinderte und in die heutige regionale Vertretung der Landesregierung in Oldenburg mündete.

 

Der später von ihm initiierte und geleitete Gesprächskreis Weser-Ems versammelte in regelmäßigem Abstand wichtige Repräsentanten des Oldenburger Landes und Ostfrieslands an einem Tisch, um der Region neue Impulse zu geben und abseits von Instanzen und Behörden die Möglichkeiten einer wirtschaftlichen Stärkung zu diskutieren.

 

Dass Reinhard Köser einen beträchtlichen Teil seiner äußerst knapp bemessenen Freizeit der Kultur widmete, mag Außenstehende überraschen. So übernahm er persönlich 1994 die Verantwortung und Finanzierung eines Ausstellungskonzepts, das unter dem Begriff „Kulturspeicher Oldenburg“ Werke international bedeutender lebender Künstlerinnen und Künstler an der Hunte präsentierte. Ob mit Malerei, Bildhauerei, Fotografie oder Karikatur – der Kulturspeicher wurde zu einer Institution und zu einem Gütebegriff weit über Landesgrenzen hinaus.

 

Ohne das herausragende Engagement Kösers wäre wohl die Stiftung „Kulturschatz Bauernhof“, die 1998 gegründet wurde und der Pflege des ländlichen Kulturerbes dient, nie zu einem derart herausragenden Erfolg geworden. Von Anfang an überzeugte er Städte und Landkreise, namhafte Persönlichkeiten und renommierte Firmen vom Wert bürgerlichen Engagements zur Erhaltung gewachsener ländlicher Kultur. Zunächst als Kurator, ab 2002 als Vorsitzender verhinderte Reinhard Köser mit seiner ehrenamtlichen Arbeit den dauerhaften Verlust kulturellen ländlichen Erbes. Mit der Erweiterung zum Monumentendienst im Jahr 2004 wurde die Arbeit um finanzielle Unterstützung für die Eigentümer erhaltenswerter Baudenkmale erweitert. Der Monumentendienst, der sich mittlerweile auf das gesamte Gebiet des ehemaligen Regierungsbezirks Weser-Ems erstreckt, war zu Beginn beispiellos und findet inzwischen Nachahmer in vielen Teilen Deutschlands.

 

Konzertsäle sahen den Verleger und seine Frau Uta seit vielen Jahren als kritisch-kompetente Zuhörer. Ob in Oldenburg, Hamburg oder Bremen: Große Musik fand in Reinhard Köser stets einen begeisterten Besucher. Die monatlich in der Zeitung erscheinende Terminseite „Konzerte“ geht ebenso auf seine persönliche Anregung zurück wie die mundartliche Plattdeutsch-Seite „Snacken und Verstahn“, die schon länger als ein Vierteljahrhundert erscheint.

 

Zwar war Reinhard Köser immer ein politischer Mensch, dessen Meinung weit über das eigene Verlagshaus hinaus zählte, aber anders als manch anderer Verleger machte er seine persönliche Meinung nie zum Dogma für die Redaktion. Deren Unabhängigkeit war ihm stets so wichtig, dass er sie selbst dann ohne Wenn und Aber verteidigte, wenn der eine oder andere Artikel, der eine oder andere Kommentar ihm wenig gefallen hatten.

 

Sein Motto: „Ich bin Kaufmann und für die Zahlen verantwortlich, Sie sind es für den redaktionellen Inhalt“, bedeutete für den Chefredakteur gleichermaßen Gestaltungsfreiheit wie tägliche neue Herausforderung. Das Grundgesetz verteidigen, die Meinungsfreiheit für jedermann wahren und die Region zum Wohle der Menschen stärken, das waren Reinhard Kösers Leitlinien für die NWZ. Er mischte sich nie in die redaktionelle Arbeit ein, gab gelegentlich Tipps und Informationen an die Redaktion, die immer ihren besonderen Wert hatten. Dass er eine gut recherchierte und lesenswert aufbereitete Nachricht der schnellen und flüchtigen Information vorzog, beschreibt seinen verlegerischen Ethos, den heutzutage anderswo zu finden nicht immer leicht fällt. Im Gegensatz zu vielen seiner Kollegen suchte er nicht das Scheinwerferlicht, verzichtete gern auf öffentliche Hymnen.

 

Reinhard Köser ist nur wenige Tage nach Vollendung seines 80. Lebensjahres verstorben. Einer der Großen seiner Zunft ist von uns gegangen. Das Verlagsgewerbe in Deutschland ist ärmer geworden. Die Region hat eine herausragende unternehmerische Persönlichkeit verloren. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der NWZ-Medien-gruppe trauern um ihren Chef, dem sie viel zu verdanken haben und bei dem sie die Zukunft des Unternehmens immer in besten Händen wussten. Ihre große Anteilnahme gilt seiner Familie, insbesondere seiner Ehefrau Uta, seinen Kindern sowie seinen Enkelkindern, deren mit Kinderhand gemalten Zeichnungen neben den Bildern großer Künstler die Wände seines Büros im Oldenburger Medienhaus schmückten.

 

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von Lars Reckermann

 

Überzeugter Zeitungsmann – nimmermüder Streiter für die Unabhängigkeit seiner Redaktion


Ich erinnere mich noch ganz genau an meinen ersten Kontakt mit Reinhard Köser. Es war vor zwei Jahren beim Vorstellungsgespräch im NWZ-Turm.


Er schaute mich mit seinen klaren Augen sehr ernst an, musterte mich geradezu und fragte mich: „Was machen Sie eigentlich, wenn die Redaktion über ein Thema streitet? Wie führen Sie dann die Redaktion?“ Ich antwortete: „Eine Redaktion muss über Themen streiten. Ich würde sie deshalb auch streiten lassen. Gibt es am Ende zwei Meinungen, hätten wir ein Pro und ein Contra.“ Er ließ den Blick nicht ab von mir. Er verzog keine Miene. Dann, mir kam es vor, als seien Minuten vergangen, lächelte er und sagte, er müsse mir noch eine wichtige Frage stellen. „Glauben Sie, Ihre Familie wird sich hier wohlfühlen?“ Er sorgte sich. Das imponierte mir.


Ich habe Reinhard Köser leider viel zu kurz gekannt. Es wäre auch schlichtweg nicht richtig, zu behaupten, wir hätten im ständigen Kontakt gestanden. An meinem zweiten Arbeitstag bat er mich aber kurz in sein Büro. Ich solle mich gut um „seine Redaktion“ kümmern, er übergebe mir eine „fantastische Mannschaft“. Dann sagte er einen Satz, den ich mir noch in seinem Büro in mein Notizheft schrieb. „Lassen Sie sich nie von Außenstehenden in Ihre Arbeit reinreden. Eine Redaktion muss unabhängig sein, dafür müssen Sie sorgen.“


Reinhard Köser war für mich in erster Linie ein Verleger, ein Zeitungsmann – und zwar durch und durch. Das ist für mich sein Vermächtnis