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Kerzen (138)
Hier finden Sie alle Gedenkkerzen, die für Bernd Kommerowski entzündet wurden. Wir laden Sie herzlich ein, selbst eine Kerze mit einer kurzen, persönlichen Nachricht zu hinterlassen.

Gedenkkerze
Brigitte
Liebstes Bruderherz,
inzwischen ist es Mai. Der Flieder war in diesem Jahr bereits im Monat zuvor in voller Blüte gewesen und betörte ungewohnt früh mit seinem Duft. Du würdest wohl gesagt haben, die Temperaturen seien in den ersten Monaten dieses Jahres bereits viel zu warm gewesen? Du würdest den dauernden strahlenden Sonnenschein begrüßt haben, und zugleich sehr besorgt gewesen sein über den der Natur fehlenden Regen? Die Natur folgt den in ihr angelegten Gesetzen, ihrem Rhythmus und ihrem Gang? Natur lebt völlig zwanglos und frei aus sich selbst heraus?
Wie ist das mit den Menschen? Wie leben Menschen? Wie handeln Menschen? Wie ist das mit den Wegen, die Menschen gehen? Folgen Menschen ihrer inneren Gesetzmäßigkeit, folgen sie dem Weg, der sie zu sich selber führt? Wieweit tun sie das? Tun sie das gern, aus freien Stücken, aus innerem Drang, mit Begeisterung? Oder widerstrebt dem Menschen oftmals nichts auf der Welt mehr, als den Weg zu gehen, der ihn zu sich selber führt - zum Erfahren seines wahren Selbst, dann frei aus seiner wahren Natur heraus zu leben? Wie standest Du dazu? Wieweit hattest Du Dich in Dir dazu befragt und Dich damit auseinandergesetzt?
Und wie dachtest Du über die Dinge, die wir sehen? Ich ging davon aus, dass es Dir bewusst war, dass die Dinge, die wir sehen, dieselben sind, die wir in uns haben, und dass Du nicht die Bilder außerhalb für das Wirkliche halten würdest. Manchmal aber verwunderten und schmerzten mich Sichtweisen und Äußerungen von Dir gerade in Bezug auf oder über mich, und mir war als seien diese Gedanken und Projektionen nicht in Dir geboren. Dein Herz war anders, das fühlte ich und tue es noch. Dein Herz war warm, weit, groß, liebend und gut!
Sei im tiefen Frieden und im ewigen Licht, mein lieber Bernd.
Inniglich, Deine Schwester

Gedenkkerze
Brigitte
Liebstes Bruderherz,
es ist wieder Ostern - für uns das Fest der Auferstehung Jesu drei Tage nach seinem Tod am Kreuz. Mit der inneliegenden Botschaft, dass mit dem Tod nicht alles zu Ende ist. Stimmt das so mit der Erfahrung überein, die Du gemacht hast?
In der Auferstehung Jesu begründet sich im Christentum der Glaube an ein Leben nach dem Tod. Im Äußeren hattest Du Dich von diesem unsere Kultur und unsere Erziehung prägenden Hintergrund abgewandt, wie sah es in Deinem tiefsten Innern aus? Bliebst Du diesem Fundament nicht dennoch unauflösbar verbunden, wie es aufmerksamen Beobachtern zu sein schien?
Auch von Ostern als Zeichen wieder erwachenden Lebens der Natur, als Ausdruck unaufhaltsamen Lebens, das sich im hinausdrängenden Erneuern, im frischen Ergrünen und Erblühen der Natur Bahn bricht, warst Du immer wieder von Neuem begeistert. In Deiner Begeisterung und Liebe für alle Schattierungen der Natur berichtetest Du Menschen in Deiner Umgebung gern von jeder kleinen Veränderung im Wiedererwachen der Natur, die Du wahrgenommen hattest. Es war für Dich immer wieder ein Wunder, was in Deinen Worten und Deiner Stimme hör- und fühlbar mitschwang.
Ostern in unserer Kindheit, als Fest des Frühlings, als Symbol der Fruchtbarkeit, mit Osterglocken, Perlblümchen, Vergißmeinnicht, Gänseblümchen und Weidenkätzchen, und sich spiegelnd in den uns vorgelesenen Geschichten von Häschen, Küken, Henne, Hahn und Lämmchen, in den liebevoll für uns bereiteten Osternestern sowie im Ostereiersuchen, das waren in Fülle Deine wie meine romantisch gefärbten Erinnerungen an eine Idylle voll Unschuld und Frieden.
Natur zum Keimen von Samen und zum Aufbrechen von Knospen zu bringen, geschieht nicht immer durch sich selbst und von selbst, wie uns später in unserem elterlichen Garten bewusst werden konnte. Und dass Samen, junges Keimendes und gerade Aufbrechendes durch den Hunger anderer Lebewesen sehr gefährdet sind, erlebten auch Du und ich jedes Jahr aufs Neue.
Wenn Papa und Mutti die Samen der verschiedenen Gemüsesorten, oder auch von Blumen, ausgesät hatten, fielen vor allem Spatzen in großen Scharen über die frisch bearbeitete Erde her. Andere Vögel wie Amseln und Krähen taten es ihnen gleich. Obwohl unsere lieben Eltern die Beete mit verschiedensten gängigen wie phantasievollen Methoden zu schützen versuchten, fühlten sie sich machtlos angesichts solcher wilden Anstürme. Ein entfernterer Nachbar züchtete Tauben, die zusätzlich und hartnäckig die Grundstücke des gesamten Wohngebietes heimsuchten. Papa sann nach sonstigen geeigneten Möglichkeiten, ein Vernichten der erhofften und ersehnten Ernte, und damit Nahrung für unsere Familie, zu verhindern. Schließlich kam Papa auf die Idee, sich, sachgemäß mit behördlicher Genehmigung, ein Luftgewehr zuzulegen. Um die dreisten Scharen an Vögeln und auch die Tauben zu erschrecken, sie so weit wie möglich fernzuhalten oder zu verscheuchen, schoss Papa gelegentlich mit seinem Gewehr in die Luft. Vor allem die Tauben stoben erst dann auseinander und flogen weg, wenn Papa solch eine Warnung gegeben hatte.
Du und ich waren inzwischen keine kleinen Kinder mehr. Wir befanden uns in Entwicklungsstadien, mit denen umzugehen weder für Dich, für mich noch für unsere Eltern einfach war. Du und ich hingen nicht mehr so eng aneinander wie zu den Zeiten im Barackenlager. Das ging eigentlich von Dir aus. In unserer neuen Wohngegend und weiterem Umfeld hattest Du Dich mit Jungens angefreundet, die Papa und Mutti teilweise als nicht passenden Umgang für Dich, und als mit negativem Einfluss auf Dich betrachteten. Aber Du stelltest Dich immun gegen Bitten und Warnungen von Papa und von Mutti, insbesondere, indem Du Dich auf Heimlichkeiten verlegtest.
Dir als Junge wurde insgesamt mehr Freiheit gewährt als mir. Meine Erziehung war ziemlich, wenn nicht gar sehr streng. Das hinderte mich aber nicht daran, einmal einem Deiner Freunde, der im Begriff war, Dich trotz Deines gebrochenen und gerade heilenden Armes zu verprügeln, auf den Rücken zu springen und wütend darauf zu trommeln. Meinem Bruder durfte niemand etwas tun! Zu meinem Erstaunen war Dir mein Eingreifen gar nicht recht gewesen. Du fühltest Dich durch mein Handeln in Deiner Ehre gekränkt.
Papa hatte für uns im Garten eine Tischtennisplatte aufgestellt, manchmal spielten wir zu Dritt oder auch zu Viert, aber es waren insbesondere Papa und Du in Eurer hochmotivierten Begeisterung für diesen Sport und Wettbewerb. Auf dem Wäscheplatz im Garten wurde zudem viel Federball gespielt, manchmal auf unserer damals noch außerordentlich ruhigen und sehr verkehrsarmen Straße, dann auch in nachbarschaftlicher Gemeinsamkeit und mir viel Spaß im Miteinander. Das Rollschuhlaufen auf unserer Straße, das Hoola-Hoop in unserem Garten, und das Fahrradfahren wurden mehr und mehr zu meinen langzeitigen intensiven Leidenschaften.
Aber Papa sorgte noch für eine andere gemeinsame Aktivität in unserem Garten, die Dich und mich eine Zeitlang sehr fesselte. Unweit der Terrasse, im Übergang zum großen Teil unseres Gartens und mit Büschen im Hintergrund, stellte Papa einen stabilen transportablen Ständer auf, ähnlich einer Staffelei, an dessen oberem Ende eine Holzplatte angebracht war. Darauf wurden mit Reißzwecken vorgedruckte auswechselbare Zielscheiben in kleinem Format und aus dünner Pappe befestigt. Papa hatte für uns Wurfbolzen mit in unterschiedlichen Farben gefiederten Enden besorgt. Jedem von uns war eine eigene Farbe zugedacht. Die Bolzen waren ähnlich denen wie sie im Dartspiel angewendet werden, nur waren Papa's Zielscheiben um ein Vielfaches kleiner als beim Dart. Du und ich waren inzwischen groß genug, um mit Papa die erforderliche Körperhaltung, sichere Handhaltung, das Konzentrieren, ruhiges Atmen und das Zielen zu üben. Wir Drei übten mit viel Ehrgeiz, dennoch nicht verbissen. Für sich selbst benutzte Papa aber hin und wieder auch sein Luftgewehr mit den dafür speziell gefertigten feinen Kügelchen aus Blei, die in der Holzplatte steckenblieben. Da durften Du und ich uns nicht dran vergreifen! Mutti verlegte sich bei diesen unserer Aktivitäten aufs Zuschauen.
Wie aber warst Du darauf gekommen, Papa über seinen Tod hinaus und bis an Dein eigenes Lebensende immer wieder vorzuwerfen, er habe in seinem Garten auf Vögel gezielt und auf sie geschossen!? Da ich Papa's Haltung und Verhalten selbst erlebt habe, kann ich mit vollkommener Gewissheit sagen, dass das so nicht zutraf. Papa schoss in die Luft, um die Saat- und Keimlingsräuber zu verjagen. Das war alles! Papa liebte, genau wie Du, Tiere sehr und hatte große Freude auch an Vögeln. In warmen Jahreszeiten saß Papa abends, nach getaner Arbeit, still seine Pfeife rauchend auf der Bank am Haus, ihnen lauschend bis sie sich in den Schlaf gepiepst hatten. Von bestimmten Vogelarten, die ebenfalls unseren Garten besuchten, wie zum Beispiel vom Eichelhäher, las Papa Federn auf und verwahrte sie sorgfältig als Kostbarkeiten. Auch in dieser Weise konntest Du der stillen Tiefe unseres Vaters begegnen. Kleine Dinge, "Kleinigkeiten", waren für Papa genauso wichtig gewesen wie für Dich. Heute sind diese kleinen gesammelten Kostbarkeiten an Federn in meiner Obhut, darin das Andenken an jene Vögel und unseren lieben Vater ehrend.
Was aber war der Grund dafür gewesen, dass sich in Dir solche Fehlwahrnehmungen festsetzten und zu ungerechtfertigten Bezichtigungen wurden?
Ist nicht eigentlicher Kern der Botschaft an Ostern, dass Liebe stärker ist als der Tod?
Bitte sei im wahren Frieden, und im ewigen Licht, gemeinsam mit Papa und mit Mutti,
Inniglich,
Deine Schwester

Gedenkkerze
Brigitte
Liebstes Bruderherz,
der achtzehnte Februar war vor einiges über sieben Jahrzehnten der Hochzeitstag unserer lieben Eltern gewesen, mit ihrer Trauung vor dem im Mittelalter geschnitzten Flügelaltar in der schönen Kirche aus dem 12. Jahrhundert, in der Du und ich später getauft wurden. Unser Vater und unsere Mutter, beide voll aufeinander bezogen, sich gegenseitig ergänzend, verwuchsen im Laufe ihrer Lebenszeit zu untrennbarer Einheit. Den vor diesem Altar geleisteten Treueschwur brachen sie nie.
Es sind die Kinder, in denen Eltern und Vorfahren weiterleben. Unsere Eltern hatten das Zepter an uns, ihre beiden Kinder, übergeben, in natürlicher Weise davon ausgehend, dass wir das Zepter weiterreichen würden an eine nächste Generation von Nachkommen, die die Welt wieder mit neuen Augen sehen würde. Was ist daraus geworden? Welche Fragen stellen sich? Und welche eine, besondere und bestimmte Frage stellt sich - stellte sich unseren Eltern, mir, und in manchen Momenten auch Dir?
Wie steht es um das Weiterleben unseres Blutes, der Gene unserer Ahnenreihen?
Auf dem Lebensweg des Menschen gibt es aber noch andere Fragen, die zutiefst bewegen! Hier ist mir ein berühmtes Zen-Koan im Sinn. Es lautet: "Was war dein ursprüngliches Wesen, bevor dein Vater und deine Mutter dich gezeugt haben?" Oder: "Was war dein wahres Gesicht vor der Geburt deiner Eltern?", oder "Wer warst du vor der Geburt deiner Eltern?" Es ist jeweils die Frage danach, wer du warst, bevor du in dieses Leben hineingeboren wurdest.
Der Religionsphilosoph Alan Watts sagte dazu in seinem Buch "Über den Geist hinaus": "Es ist dieselbe seltsame Art von Frage wie danach, wie es wäre, schlafen zu gehen und nie mehr aufzuwachen oder aufzuwachen, ohne zuvor schlafen gegangen zu sein. Das ist sehr mysteriös, und wenn du anfängst, Fragen wie diesen nachzugehen, bekommst du das Gefühl, dass deine Existenz etwas höchst Seltsames ist. Seltsam deshalb, weil es dich gibt und ohne Weiteres auch nicht hätte geben können. Gäbe es dich auch, wenn dein Vater und deine Mutter einander niemals begegnet wären? Und wenn sie mit anderen Partnern zusammengekommen und mit ihnen Kinder gezeugt hätten, wärest du dann eines dieser Kinder? Natürlich wärest du das. Du kannst nur sein, indem du jemand bist, aber jeder Jemand ist du - jeder Jemand ist Ich. Jeder fühlt das Ich auf dieselbe Weise. Es ist in uns allen dasselbe Gefühl ... Diese Ichheit ist das Elementarste im Menschen und im Universum. ... Das Wesentliche am Ich ist unzerstörbar. ..."
Der Religionswissenschaftler, evangelische Theologe, Pfarrer, Zen- und Yogalehrer Michael von Brück schrieb, "dass es nicht eine zeitliche Gestalt des Menschen betrifft, die in die Vergangenheit verwiese. Es ist vielmehr die Frage nach der überzeitlichen Gestalt des Geistes, die nicht gedacht, wohl aber in einer Meditationserfahrung realisiert, verwirklicht werden kann. Im Zen kommt es darauf an, dass der Mensch frei wird von sich selbst, frei von allen Projektionen, die er sich selbst und anderen auferlegt." Es gehe hier darum, dass der eigentliche menschliche Wesenskern das Wahre Selbst unter allen Schalen und Verbrämungen hervorkommen kann, um es zu erfahren.
Eine Psychologin nannte das einst "sich selbst gebären".
Ob aber Wunsch und Hoffnung unserer lieben Eltern doch Erfüllung gefunden haben ... ?
Sei im ewigen Licht und Frieden, liebstes Bruderherz, gemeinsam mit unserem lieben Vater und unserer lieben Mutter.
Inniglich, Deine Schwester.

Gedenkkerze
Brigitte
Liebstes Bruderherz,
Valentinstag - vierzehnter Februar vor sechs Jahren. Am Tag der Trauerfeier zu Deinen Ehren und des Beisetzens Deiner Urne hatte strahlend die Sonne geschienen. Heute Morgen lag Schnee, den Du so geliebt hattest. Wer von all jenen Menschen, die in Deinem Leben eine Rolle spielten, mag heute am Valentinstag und gleichzeitig dem Tag des Gedenkens des feierlichen Abschieds von Dir in aller Wärme, Liebe und inneren Verbundenheit Deiner gedenkend Dich mit frisch Blühendem und mit einem Licht bedacht haben? Wieviele dieser Menschen vermissen Deine Präsenz in ihrem Leben?
Wieweit hattest Du es deutlich in Dir verspürt oder warst Du Dir bewusst geworden, dass wir nicht dieser veränderliche Körper sind, sondern das dem Körper innewohnende unveränderliche Selbst? Du und ich hatten nie miteinander tiefgehend über das Sterben gesprochen und wie Du und ich diesem jeweils in uns begegnen. Du hattest dieses Thema jedoch immer wieder mal in provokativer Weise erwähnt. Und noch zweieinhalb Jahre vor Deinem Tod meintest Du, dass Du nicht mehr so viel Lebenszeit vor Dir haben würdest. Und Dir waren auch die Ursachen dafür bewusst. Daraus ist abzuleiten, dass Du Dich in Dir mit dem Thema und mit der Frage des Sterbens und des Todes auseinandergesetzt haben musstest. Zu welchen Ergebnissen mochtest Du dabei für Dich gekommen sein? Und was mag sich in Dir im Moment Deines plötzlichen Todes abgespielt haben - diese Frage bleibt auf immer ohne Antwort.
Das Sterben, so sagen die großen Mystiker, "ist ein komplizierterer Vorgang, als wir für gewöhnlich meinen. Es erfolgt nicht schlagartig; es ist ein allmähliches Sich-Zurückziehen des Bewusstseins aus dem Körper in das Selbst. Zuerst wird das Bewusstsein aus den Sinnen in das Denken und Fühlen, den Geist, zurückgezogen. Die Sinnesorgane stellen ihre Tätigkeit ein, und die äußere Wahrnehmung des Körpers und unserer Umgebung ist weg. Wir haben nach wie vor Ohren, aber wir hören nichts, weil das Bewusstsein zurückgezogen ist; wir haben nach wie vor Augen, aber wir sehen absolut nichts mehr von der Außenwelt. Doch obwohl wir nicht mehr sehen und hören können, ist im Geist, dem Denken und Fühlen, nach wie vor das Bewusstsein vorhanden, mit all seinen Begehrlichkeiten und Regungen der Reue, all seinen Konflikten und Hoffnungen und Ängsten. Solange wir diese selbstsüchtigen Begierden, ichbezogenen Konfliktpotenziale und Vorbehalte haben, bleiben sie im Geist, dem Gesamtbewusstsein, auf einer tiefen Ebene bestehen, wo zum Zeitpunkt des Todes alle Begierden und Konfliktpotenziale mit dem 'Ich'-Gedanken verschmelzen. Dieser Prozess weist eine frappierende Parallelität mit dem auf, was bei der tiefen Meditation geschieht. ... Der entscheidende Unterschied besteht darin, dass in der Meditation dieses Zurückziehen (des Bewusstseins aus den Sinnesorganen) aus freiem Entschluss geschieht, während es im Tode ungewollt erfolgt. ... Das Bewusstsein aus den Sinnesorganen ins Denken und Fühlen, in den Geist, zurückzuziehen, fällt nicht allzu schwer, wohingegen es ausgesprochen schwierig ist, das Bewusstsein willentlich aus dem gesamten Mentalbereich in das Selbst zurückzunehmen, ins Innerste der Reinheit und Vollkommenheit, das sich im zentralen Mittelpunkt unseres Seins und Wesens befindet. Doch sofern der Geist nicht schon durch die Übung der Meditation ... zum Schweigen gebracht worden ist, wird das Bewusstsein im Augenblick des Todes im Mentalbereich, dem Denken und Fühlen, verbleiben. Dann sind wir immer noch mit dem Ego identifizierbar, und unser letzter Gedanke wird Ich, ich, ich sein. ..."
Liebstes Bruderherz, es ist meine tiefe Hoffnung, dass in Deinem Tod Deine letzten Gedanken nicht der Ego-Identifikation verhaftet waren, und dass Dir von Körper, Besitz, Zukunftsplänen, nahestehenden Menschen, Gewohnheiten und Ansichten, Vorlieben, Abneigungen entrissen zu werden nicht Leid gewesen war, sondern dass Du in Deinem Tod das Licht der Einheit erfahren hast. Und in der Freiheit bist, die Du tief in Deinem Innern immer ersehntest.
Mögest Du im tiefen Frieden sein und im ewigen Licht, gemeinsam mit unseren lieben Eltern.
Inniglich, Deine Schwester.

Gedenkkerze
Brigitte
Liebstes Bruderherz,
"Sonnenfäden sind nur mehr außerhalb des Grabes ... und sicherlich jagt der Traum über das dürre Feld." Wie gut hätten diese Haiku-Zeilen des japanischen Priesters und Dichters Naito Joso wohl zu der Sichtweise unseres lieben Vaters gepasst?
Heute war ein strahlend sonniger Tag, ganz anders als an diesem Tag vor fünfzehn Jahren, als Mutti gemeinsam mit mir die Urne von Papa zu Grabe trug. Du hattest gemeint, der tiefe Schnee im gesamten Norden des Landes verhindere es, mit dem Auto die lange Strecke von mehreren hundert Kilometern nur wenige Tage nach der Trauerfeier für Papa erneut zu bewältigen, um das gemeinsam mit Mutti zu tun. Den Zug zu nehmen, schien Dir keine Option. Du hattest es uns überlassen, unserem lieben Papa diese letzte Ehre zu erweisen. Mutti schwieg.
In der starken Verbindung zwischen Mutti und Papa war mir das Empfinden, dass sie tief aus dem Unbewussten dem Wunsch nach gegenseitiger Ergänzung entsprach, darauf ausgerichtet, aneinander zu wachsen, und in der Beziehung zu sich selbst zu kommen. Ist das nicht eigentlich das Ideal jeder solchen Verbindung?
Wieweit hattest Du, lieber Bernd, bei Deinen hochfeinen Antennen für die Psyche anderer Menschen in Papa unter seiner manchmal spröden und leicht abweisenden Oberfläche den sehr edlen, feinen und stolzen Mann gesehen von sehr lebendigem, intensivem und leidenschaftlichem Wesen, den Menschen voll origineller Ideen, dem inneres Reifen und Entfaltung seiner Persönlichkeit wichtiges Anliegen waren, manchmal vielleicht gar nicht so bewußt?
Hattest Du nicht vielleicht in unserem lieben Vater gespürt, dass in ihm eine tiefe Ahnung davon war, dass die scheinbar reale Welt ein Symbol und ein Prüfstein für eine im Grunde transpersonale Welt ist? Dass in Vater ein angeborenes Gefühl wirkte, dass das materielle Leben lediglich sichtbarer Ausdruck eines sehr sorgfältig verschlüsselten himmlischen Plans sei? Dass unser Vater ein Bedürfnis nach Struktur und Sicherheit hatte, erlebten wir. Und in diesem Zusammenhang auch, dass das Materielle für Papa im täglichen Leben wichtig war. Aber wieweit hattest Du bemerkt, dass das verbunden war mit Papas Streben nach Geistigem? War Papa nicht ständig damit befasst, sich fragend über viele Themen Gedanken zu machen, zu hinterfragen, und war Papa nicht immer irgendwie am Philosophieren? Sah unser lieber Vater nicht in allem was ihm begegnete oder widerfuhr einen Sinn, und war Papa in dem Sinne nicht beständig dabei, vom Leben zu lernen? Merktest Du nicht, dass unser Vater in seinem tiefsten Innern offenbar an eine innere Quelle hingegeben schien, und dass er in allem was er tat, wohl heimlich einer höheren Realität diente? Ich habe Vater oft zugehört, dabei innerlich durch seine Worte und Lebensäußerungen hindurch gelauscht. Hattest Du das nicht ähnlich gemacht? Ob Papa jemals mitbekommen hatte, was sich mir durch die verschiedensten Schichten mitgeteilt hatte, und in welcher Weise Du unseren lieben Vater in seinen Tiefen wahrgenommen hattest?
Papa war ein in sich zurückgezogener Mensch, nach außen leicht etwas scheu, zurückhaltend und abwehrend, manchmal schroff wirkend. Das was Du, lieber Bernd, an Papa vielleicht zu vermissen meintest, war möglicherweise in etwa identisch mit dem was Papa in der Beziehung mit seinem eigenen Vater vermisst hatte, ohne das jemals verbal genau zum Ausdruck zu bringen? Dennoch schlug durch, dass Papa sich auf einer tieferen Ebene wohl irgendwie zurückgewiesen gefühlt hatte aufgrund der Verschlossenheit seines Vaters, einer gewissen intellektuellen Kühle, und hoher Maßstäbe an Leistung und Perfektion. War es das oder etwas Ähnliches, an dem Du Dich gerieben hattest, weil Dein Wesen nach etwas anderem dürstete? Inwieweit hattest Du verstanden, dass unser Vater es einfach nur gut mit Dir gemeint hatte, und wie sehr sein Herz mit seinem Sohn war? Und inwieweit hattest Du mit Papa geistige Verwandtschaft gespürt?
Möge Deine Seele im absoluten Frieden sein, gemeinsam mit den Seelen unserer feinen Eltern.
Inniglich, Deine Schwester.